Die Vielfältigkeit der Diagnose „Reizdarm“ spiegelt die ganze Komplexität des Menschen und die seiner modernen Umwelt wider. Die Erkrankungsraten steigen seit Jahrzehnten und liegen mittlerweile in Industriestaaten bei ca. 15%, in Deutschland sind laut Reizdarmselbsthilfe e.V. ca. 10 Millionen Menschen betroffen. Der Reizdarm stellt Therapeuten immer wieder vor Rätsel hinsichtlich seiner genauen Ursachen, Therapieformen und einer besonders empfehlenswerten Diät. Da man heute weiß, dass das Reizdarmsyndrom in der Mehrzahl der Fälle keine somatoforme Störung ist, sind mittlerweile viele Hypothesen zu den Ursachen und Auslösern entwickelt worden. Das verdeutlicht, dass die Symptome der Reizdarmpatienten einer genauen Untersuchung und detektivischer Detailarbeit bedürfen, um mehr als nur eine Symptomlinderung zu erzielen.
Die Symptome des Reizdarms beziehen sich auf Veränderungen der Fäkalmasse, eine erhöhte Gasbildung im Magen-Darm-Trakt, eine gestörte Motilität sowie eine Hypersensitivität des enterischen Nervensystems, die zu Schmerzen und Missempfindungen führt.
Stuhlgang: Beim darmgesunden Menschen verhält sich der Stuhlgang relativ konstant. Bei einem Reizdarmsyndrom hingegen kommt es zu schnellen Veränderungen der Stuhlbeschaffenheit, die durch externe Reize, wie aufgenommene Nahrung, Stresssituationen, Reisen etc., schnell aus der Balance gerät. Es kommt zu wechselnden Durchfällen und Verstopfung, unvollständiger Entleerung, Bleistiftstühlen, Schafskotstuhl und anderen Veränderungen der Stuhlgewohnheiten, ohne dass jedoch Blut im Stuhl nachgewiesen werden kann.
Gasbildung: Begleitet werden diese Veränderungen von einer verstärkten Gasbildung. Die Gase erzeugen Dehnungsreize und gehen bei diesem Krankheitsbild oftmals nur schwer ab. Aber auch eine erhöhte Flatulenz und Aufstoßen gehören zu den Beschwerden.
Motilität (Bewegungsfähigkeit): Durch eine Fehlregulation der glatten Muskulatur des Magen-Darm-Traktes treten Motilitätsstörungen auf: Die Darmperistaltik ist entweder verlangsamt oder beschleunigt, so dass die Betroffenen über sehr häufigen oder sehr seltenen Stuhlgang klagen und zu Bauchkrämpfen neigen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Botenstoff Serotonin, der bei Reizdarmpatienten nach den Mahlzeiten vermehrt im Darm nachgewiesen werden kann.
Neuronale Hypersensitivität: Anhand von Experimenten mittels Ballondilatation (einem Messverfahren, bei dem im Verdauungstrakt ein kleiner Ballon gedehnt wird) ist bekannt, dass Reizdarmpatienten eine verminderte Schmerzreizschwelle in Magen und Darm aufweisen. Durch Motilitätsstörungen und Gasbildung ausgelöst, wird die Hypersensitivität des enterischen Nervensystems („Bauchhirn“) dann noch weiter befördert.
Beim Reizdarmsyndrom handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Zunächst müssen mögliche organische Ursachen durch entsprechende fachärztliche Untersuchungen ausgeschlossen werden. Erst wenn keinerlei organische Veränderungen festgestellt werden können, kann die Diagnose gestellt werden. Die Ursachen können sehr verschieden sein und häufig handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen:
Erst eine sorgfältige Anamnese und verschiedene medizinische Untersuchungen geben im Einzelfall Aufschluss über die Ursache(n). Für eine erfolgreiche Therapie ist die richtige Diagnosestellung maßgeblich.
Reizdarmpatienten berichten sehr häufig von einer starken Einschränkung ihrer Lebensqualität und des Alltags. Jede Verdauungstätigkeit wird intensiv wahrgenommen, da die Kommunikation zwischen Gehirn und Bauchhirn („Brain-Gut-Link“) verstärkt ausgeprägt ist. Die S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom bestätigt, dass sich „bei RDS-Patienten […] eine erhöhte Innervation der Schleimhaut“ findet und beschreibt, dass eine geänderte Sympathikus-Parasympathikus-Aktivierung vorliegt. Dadurch kommt es zu einem ständigen Wechsel der Symptome und wandernden Schmerzen, während nachts meist keine Beschwerden auftreten.
Hinzu kommt laut verschiedener Studien ein bereits in der Kindheit gelerntes Krankheitsverhalten, bei dem Reizdarmpatienten „in ihrer Kindheit häufiger aufgrund von geringfügigen Krankheiten oder Beschwerden mit Aufmerksamkeit belohnt oder verwöhnt wurden“ (Fuchs et al., S. 811). Dieses gelernte Krankheitsverhalten kann dazu führen, dass mehrere somatische Beschwerden auftreten, Erkältungen als schwerwiegender eingestuft werden und Ärzte eher aufgesucht werden. Reizdarmpatienten weisen darüber hinaus häufiger als Gesunde psychologische und psychiatrische Störungen auf. Ob ein kausaler Zusammenhang besteht und ob der Reizdarm die Psyche destabilisiert oder eine psychologische Störung zu Reizdarm führt, ist weiterhin Gegenstand von Diskussion und Forschung.
In der Naturheilpraxis ist das Reizdarmsyndrom eine Indikation mit hoher Relevanz. Die Patienten haben sich beim Hausarzt bereits den verschiedenen medizinischen Diagnoseverfahren unterzogen, meist ohne eine körperliche Ursache ihrer Beschwerden zu identifizieren. Sie erwarten von der naturheilkundlichen Behandlung neben einer Linderung der Symptome auch eine nachhaltige Stabilisierung ihrer Darmgesundheit.
Nach Ausschluss infektiöser oder sonstiger schwerwiegender Erkrankungen zielt die symptomatische Therapie des Reizdarmsyndroms zunächst auf die Besserung der akuten Beschwerden ab. Folgende Präparate kommen zur Behandlung dieser Beschwerden infrage:
Bei Diarrhö kann Diarrheel SN eingesetzt werden, das bei sehr entkräftenden Entleerungen noch durch Veratrum-Homaccord ergänzt werden kann, um den geschwächten Kreislauf zu stützen. Eine Versorgung mit Elektrolyten ergänzt die Akuttherapie sinnvoll.
Bei einigen Reizdarmpatienten stehen Motilitätsstörungen im Vordergrund, der Stuhlgang wechselt von sehr häufig bis sehr selten. In diesen Fällen kann die Motilität z.B. mit Magen-Darm-Tropfen Cosmochema reguliert werden. Sinnvoll ist die Dosierung von 5 Tropfen etwa 10 Minuten vor jeder Mahlzeit, um den Verdauungstrakt auf die Nahrungsaufnahme vorzubereiten.
Krämpfe während und nach der Mahlzeit machen vielen Reizdarmpatienten zu schaffen und sind neben Störungen der Motilität auch ein Zeichen erhöhter Schmerzempfindlichkeit. Hier hat sich Spascupreel bewährt, das den Tonus der glatten Muskulatur herabsetzt und die Krampfneigung über den Inhaltsstoff Agaricus im Zentralnervensystem reguliert.
Bei stressassoziierten Beschwerden hat sich die Stabilisierung der „Stress-Achse“ sehr bewährt. Die Präparate Glandula suprarenalis suis-Injeel, Hypophysis suis-Injeel sowie Hypothalamus suis-Injeel können z.B. im Rahmen einer Auto-Sanguis-Stufentherapie neben symptomlindernden und ausleitenden Präparaten eingesetzt werden.
Eine regelmäßige Anwendung von Neurexan (beim Reizdarmsyndrom drei- bis fünfmal täglich) stabilisiert die stressassoziierte Übererregbarkeit des Vegetativen Nervensystems. Bei Laktoseintoleranz steht Neurexan auch in Topfenform zur Verfügung.
Quellen
https://www.neurogastro.de/tl_files/pdf/S3-Leitlinie_Reizdarmsyndrom.pdf
https://www.naturheilmagazin.de/natuerlich-heilen/krankheiten-a-bis-z/reizdarm-syndrom/reizdarm.html
https://ratgeber-darmsanierung.de/der-reizdarm/rds_krankheitsentstehung
http://www.reizdarmselbsthilfe.de
Fuchs KH, Stein HJ, Thiede A (2013) Gastrointestinale Funktionsstörungen: Diagnose, Operationsindikation, Therapie. Springer Verlag.
Tank M (2018) Reizdarm adé – nichts tut mehr weh. DMT Verlag.